Spiehlerturm, Februar 2015
Winterklettern ist eine der aufregendsten Formen des Alpinsimus und die Winterbesteigung des Spiehlerturms, eine bei Einheimischen recht bekannte und bei Kletterern sehr beliebte Felsnadel in den Lechtaler Alpen, stand schon lange auf der Wunschliste. In den Semesterferien 2015 hat es endlich geklappt. Andy und ich hatten Zeit, das Wetter war perfekt und die Lawinengefahr gering. Dennoch waren wir vor Aufbruch etwas gespannt, wie den das ganze verlaufen würde. Im Sommer kennen wir das Gebiet ja ziemlich gut, im Winter ist das Steinkar aber eher Neuland. Zwar irren sich immer wieder Schitourengeher aus dem Lechtal etwa auf die Dremelscharte. Von Zams aus wird das Gebiet im Winter aber kaum besucht. Eine Winterbesteigung des Spiehlerturms konnte ich weder im Gipfelbuch noch im Internet finden. Ein aufregendes Projekt also. Es startete bei der ersten Kurve am Forstweg ins Alfuz. Wie immer bei PKW-fahrten „im Gelände“ war Andy Optimist. Erst ein paar reine Eisplatten brachten ihn zur Vernunft und das Auto wurde deutlich vorschriftswidrig geparkt. Bei Dunkelheit ging es los. Aufgrund der guten Schneelage gleich von Beginn weg mit Schi. Die winterliche Einsamkeit des Gebiets wird einem gleich bewusst. Denn schon vor Alfuz waren Wildspuren die einzigen Spuren. Bei Lawinengefahr oder Pulverschnee ist der Weg hinein zur Materialseilbahn kein Honiglecken, wir hatten aber perfekte Verhältnisse mit verharschtem Schnee. Wir kamen also ziemlich schnell voran. Bei der Materialseilbahn wurde unser Einsatz bei Kälte und Dunkelheit mit einem Sonnenaufgang belohnt. Der weitere Verlauf der Route im Bachbett unter dem Hüttensteig war auch in hervorragendem Zustand. Eigentlich optimales Schitourengelände. Besonders motivierend war der Blick zum Pfeiler, mit dem wir uns ja erst im letzten Sommer ein Gefecht geliefert haben. Gegen neun Uhr dann ein erster Höhepunkt der Tour. Nach drei Stunden im Dunkeln bzw im Schatten tat sich das Gelände auf, die Sonnenstrahlen brachten das traumhafte Kargelände unter den Klettergipfeln zum Leuchten, der Spiehlerturm schaute zu uns herunter und machte einen durchaus freundlichen Eindruck. Schon nach vier Stunden waren wir bei den Findlingen angelangt. Bei einer kurzen Pause nahmen wir die Steilflanke zur Scharte unter die Lupe. Was im Sommer mit einer kurzen Kletterstelle aufwartet, ist im Winter ein einfacher Steilhang. Sogar eine Schibefahrung schien möglich. Aufgrund der vielen Knollen entschieden wir uns dann aber, doch zu Fuss aufzusteigen. Es verging nicht viel Zeit bis wir beim Einstieg standen. Ein Blick in die Westwand verhiess nur Gutes. Trockene Verhältnisse und kaum Eis, die Kletterei sollte uns also keine gröberen Probleme bereiten. Ich wechselte das Schuhwerk und stieg mit Zustiegschuh vor. Die kalten Finger waren das Hauptproblem. Kurz vor dem Standplatz mit Ring musste aufgrund einer vereisten Stelle noch der Eispickel raus, ehe ich mich am Stand installierte. Andy kam schnell nach und ich machte mich an die zweite Seillänge. Diese war etwas schwieriger, vor allem weil der erste Zwischenhaken irgendwo unter der Schneedecke war. Mit Zustiegschuhen ging es aber dann doch ganz gut, Andy hatte mit Schischuhen schon etwas mehr zu kämpfen. Nach einer halben Stunde in der schattigen Westwand kam ich endich wieder in die Sonne, noch ein paar Schritte und der Traum vom Spiehlerturm im Winter wurde realisiert. Ein tolles Erlebnis, den Ausblick von diesem Klettergerüst einmal im Winter geniessen zu dürfen. Besonders beindruckend war der Schatten, den der Turm in die Schneehännge unter der Parzinnspitze warf. Schon im Sommer fühlt man sich am Gipfel sehr ausgesetzt. Im Winter ist die Gipfelplatte verschneit, man hat also noch weniger Platz und kann sich eigentlich nur am Gipfelkreuz festklammern. Kurz vor Mittag begannen wir mit dem Abseilen, das wie erwartet unproblematisch war, sodass wir schnell wieder beim Schidepot waren. Im Sommer gilt es nach vollbrachter Klettertour die Schuttreissen hinunterzugelangen. An diesem Tag gab es stattdessen eine fantastische Firnabfahrt. Zuerst durch das sanfte Kargelände, dann eine Steilstufe ins Bachbett, und durch das breite Bachbett selbst, immer noch bei idealem Firn, zur Materialseilbahn. Der Weg hinaus nach Alfuz muss dann wohl eher als äusserst wilder Ritt charakterisiert werden. Eine nervenaufreibende „Rette das Auto vor dem Absturz“ Aktion war der der Schlusspunkt dieser glorreichen Tour.